Eine (grüne) Genderkonferenz in Berlin. Vorurteile und ihre Richtigkeit.

Ich versuche bewusst vorurteilsfrei in gewisse Situationen zu gehen – und doch ist es schwer dagegen anzukämpfen. Erst Recht wenn sie sich so oft zu bestätigen scheinen.

Letztens war ich auf der Genderkonferenz der Partei Bündnis 90/Grüne im Ballhaus Rixdorf in Kreuzberg.

Wer Berlin kennt, und auch wer Berlin nicht kennt, hat ein gewisses Bild vor Augen wenn er an Kreuzberg denkt. Diejenigen die Berlin besser kennen werden höchstwahrscheinlich differenzierter unterscheiden zwischen dem Kreuzberger aus der Ecke Bergmannkiez und dem rund um den Kotti und die Oranienstraße, aber doch werden einige Stereotype übereinstimmen. Zuerst gilt Kreuzberg dringend abzutrennen von den „Latte Machiato Muttis“ (wunderbar treffender Begriff den ich dem Programm des Primetime Theaters Wedding abgeschaut habe) aus Prenzlauer Berg. Die Frauen dort sind gut gebildet, waren vor der Geburt Anwältin oder Werbegraphikerin und verbrachte so manchen Nachmittag in Cafes mit Namen wie „Suicide Sue“ oder „Le Café“ und sprach über Themen die die Welt bewegten. Nur am Rande will ich bemerken dass immer die Rede von „Muttis“ ist und ein „Vati“ tatsächlich außer am Wochenende lässig einen Coffee to Go in der einen Hand während er den stylischen Buggy schiebt, nicht gesichtet werden kann. Der Kreuzberger an sich trägt wenn dann ein Wegbier in der Hand. So far the stereotype.

Ich war nun also Besucherin auf der Genderkonferenz in Kreuzberg und nicht in Prenzlauer Berg. Die Konferenz befasste sich mit den „typischen“ Themen Bildung und Lokalpolitik. Wie ich erwartet hatte, war auch der Kleiderstil der Teilnehmer „grün“ – überdurchschnittlich viele Frauen trugen kurze Haare, weitere Hosen in senfgelb oder hanfrot und näherten sich auch in ihrer Redeweise an sich männlichen Stereotypen an. Mir drängt sich bis heute die Frage auf, ob man als Frau glaubt seine (biologische) Weiblichkeit verstecken zu müssen oder man sich dadurch versucht anzupassen an männliche Ideale. Was würde Frida Kahlo dazu sagen?

Frida Kahlo - Selbstbildnis mit abgeschnittenen Haaren

Was mich überraschte war die hohe Anzahl männlicher Teilnehmer. Natürlich bestätigten sich auch hier gängige Vorurteile: die meisten wirkten homosexuell. Und outeten sich im Gespräch schnell.

Das die Veranstaltung durchdringende Thema war der Kampf gegen „diese naja Haltung“ gegenüber Genderfragen und die Feststellung, dass nur grundlegende Bildung etwas dagegen tun kann. Es sei Aufgabe der Politik diese „anzupacken“. Wie sich diese Bildungsfrage jedoch praktisch angehen lässt wurde zu einem unlösbaren Problem: anwesende weibliche Lehrerinnen befanden die Trennung der Klasse in Jungs und Mädchen als absolut unbedenklich, während andere anwesende Lehrerinnen genau das als den Ursprung für geschlechterbewusstes Verhalten schon in der Kindheit sahen. Inwiefern biologisches Geschlecht nun als Trennungskriterium in Gruppenarbeit anerkannt werden sollte oder nicht blieb ungeklärt.

Vor dem Fenster tobte das samstägliche Kreuzberger Leben mit kopftuchtragenden türkischen Müttern, die riesige Buggies schieben, Kinder an der Hand zogen und Männern die auf der Straße vor einem türkischen Männerclub Kaffee tranken. Einen Latte Machiato konnte ich von meinem Platz aus nicht sichten. Was kann Politik gegen die Bildung auf der Straße machen? Muss sie überhaupt etwas tun? Ich stellte mir wieder die „Kopftuchfrage“ – werden Frauen dadurch unterdrückt im Vergleich zum Mann? Werden sie schon auf die Entfernung als Frauen erkennbar gemacht ohne ihre Weiblichkeit zu zeigen? Wie freiwillig ist die Kopftuchwahl? Selbst wenn eine Türkin fest davon überzeugt ist, dass sie sich das Tuch selbst ausgewählt hat – folgt sie dann nicht ähnlicher unbewusst anerzogener Uniformität, die sie für genauso natürlich hält wie die grüne Politikerin, die kurze, hanfrote Haare trägt und eine Cordhose? Und wieder Simone de Beauvoir: Man wird nicht als Frau geboren, man wird zu einer gemacht.

Posted on April 6, 2012, in Berlin and tagged , , , , , , , , , , . Bookmark the permalink. Leave a comment.

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